Ich sitze mit Robin Banerjee in Schwanenberg, im Garten seines Hauses. Robin ist Pfarrer in der evangelischen Gemeinde Schwanenberg und Religionslehrer am Gymnasium in Erkelenz. Ich möchte von ihm wissen, wann er bewusst die Entscheidung getroffen hat, Pfarrer zu werden und was seine Motivation dahinter war. Er erzählt mir, dass seine Großmutter seinen Glauben geprägt habe, durch ihren starken Schöpfungsglauben und dass er als Jugendlicher schon Pfarrer werden wollte, vor allem weil er gern mit unterschiedlichen Menschen zusammentrifft und mit ihnen kommuniziert, weil er gerne schöne Erlebnisse für Menschen schafft und kreativ ist.
Pfarrer – der Beruf passt super
„Jeder Tag ist anders. Es kostet Kraft und Aufwand, aber die Arbeit ist vitalisierend und begeisternd, sie bereitet mir viel Spaß. Ich denke dauernd, der Beruf passt super, ich bin sehr dankbar dafür. Mein Mentor hat immer gesagt, es gibt Pflicht und Kür. Es gibt z.B. Hochzeit, Taufe und Beerdigung, da gibt es auch das direkte Feedback der Menschen. Das andere ist Kür, das heißt Sachen ausprobieren, innovativ sein, machen, da muss nicht immer alles klappen, aber wenn es klappt, dann hat es große Wirkung.“
Seine Kirchengemeinde funktioniert – warum?
Zum Beispiel seine Theaterinszenierung „Anders glauben“. Ein Mammutprojekt mit 40 Jugendlichen und der Mitwirkung des Kirchenchores. Das Durchschnittsalter des Kirchenchores lag bei 60, aber es war eine Symbiose, es gab keine Unterschiede, es war ein Erlebnis, das alle verbunden hat, erzählt Robin. Wie begegnet einer wie er, der voller Energie und Ideen ist, den Problemen seiner Kirche? Der Abwanderung der Gläubigen, den Imageproblemen? Er sagt, er höre von Abbau und Lähmungserscheinungen in der Kirche, die er selbst in seiner Gemeinde nicht erlebe. Er glaubt, es sei wichtig, weiter begeisternd zu sein, weiter Dinge auszuprobieren, herauszufinden was Tradition sei und was davon sich lohne bewahrt zu werden. „Was können wir neu schaffen in der heutigen Zeit? Vielleicht nichts was auf lange Zeit angelegt ist, sondern in kurzer Zeit ein Erlebnis generiert, wo Menschen gemeinsam etwas erleben.“
Von positiven Erlebnissen mit der Kirche berichten
Man müsse davon erzählen was gelingt, sagt Robin. Kinder und Jugendliche, die an seinen Theaterprojekten teilnehmen, wachsen in den zwei Jahren an Menschlichkeit und Reife, und sie erzählen hinterher positiv von der Kirche, weil sie Positives erlebt haben.
Und er räumt energisch auf mit Vorurteilen gegenüber Pfarrern: „Wenn jemand zu mir kommt in die Beratung, dann fragt man erstmal um welches Thema es geht. Manchmal geht es um Ehe, es geht um Familie oder auch um Erziehung, und dann fühle ich mich schon in der Lage darüber zu reden, nicht nur aus professioneller Sicht, sondern man kann auch persönlich die eine oder andere Situation erzählen. Dadurch merkt das Gegenüber, dass ich authentisch rede. Wir dürfen ja heiraten, das kann man ja einfach erzählen, dass wir ein Privatleben haben dürfen, dass wir Kinder haben dürfen, dass wir dadurch vielleicht sogar nochmal anders mit Menschen reden können, weil man selbst Erfahrungen mit Ehe, Partnerschaft und mit Erziehung gemacht hat.“
Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer sind mittendrin
„Wir als evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer stehen mitten im Leben. Also nicht nur mitten in der Gemeinde, sondern auch mitten im eigenen Leben erleben wir alles, was meine Gemeindeglieder auch erleben. Dadurch fühl ich mich immer mittendrin und nie außen vor und ich glaube, das merkt man auch. Mittendrin, das heißt, ich habe Streit mit meiner Familie, es gibt Zoff und ich muss das regeln, ich muss mal einen Schritt zurück machen, ich muss mal einen Schritt vor machen – ich muss Kompromisse machen. Oder es gibt Probleme bei der Erziehung, meine Kinder wollen nicht mehr zum Konfirmandenunterricht gehen oder in die Kirche gehen, und dann steh ich auf einmal da: Was sag ich? Wie überzeug ich die? Wie kann ich die gewinnen dafür? Die Frage habe ich praktisch zuhause genauso wie im Beruf.“
Partnerschaft zu erleben – ein wichtiger Teil des Lebens
Katholischer Priester zu sein, dass kann Robin sich nicht vorstellen, weil ihm dann ein Stück dazu fehlt, mitten im Leben zu sein. Weil er dann mit Menschen über etwas reden müsste, was er selbst nur vom Hörensagen kenne und nicht aus eigener Erfahrung. Der wichtigste Teil des Lebens für ihn, der dann fehle sei, selbst Kinder zu haben und zu erleben, sie wachsen zu sehen. „Dass man selbst heiraten kann, und dass man die Erfahrung macht, wie toll das ist, wie Gott das geschaffen hat. Mann und Frau zusammen, Mann und Mann zusammen, Frau und Frau zusammen. Partnerschaft zu erleben, das ist ein wichtiger Teil des Lebens, für viele der wichtigste Teil des Lebens und da sollen wir dann nicht mitmachen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Man muss auch noch dazu sagen, Jesus hat das nie gesagt, dass man allein leben soll, an keiner Stelle.“
Familie als Ort der Geborgenheit und der Kraft
Und einen anderen wichtigen Aspekt erwähnt Robin noch. Er sagt, Familie sei für ihn ein Raum, in dem er sich geborgen fühlt, wo er sich über Dinge austauschen kann, wo er aufgefangen wird, wenn es einmal Probleme gibt und wo er auch einmal schwach sein und sich ausheulen kann. „Bei wem soll ich das sonst machen, wenn ich nicht Leute um mich herum habe, denen ich 100 Prozent vertraue, die mich nicht in die Pfanne hauen? Da kann ich auch mal Schwäche zugeben. Das ist auch ein Grund, warum Familie so wichtig ist. Ich bin dankbar dafür, dass ich heiraten darf, dass ich Kinder haben kann und dass ich mit ihnen in Austausch gerate, dass ich durch sie jung bleibe, dass ich sehe, wie ein Teil von mir weiterwächst. Und das ist schön. Dass ich diesen tollen Beruf machen darf, mit Familie, dafür bin ich dankbar.“