Wenn die Flut das Haus zerstört

Wir hatten kein Zuhause mehr

„Wir sind mitten im Umzug. Wir gehen zurück ins Haus!“ Elke Lohmüller steht in der Tür ihres Einfamilienhauses in Eschweiler. Sie hat viel zu tun und sie ist beansprucht, das sieht man ihr an. Aber nicht nur dieser Tage, im Umzug, sondern schon seit 10 Monaten, seitdem die Flut ihr Haus so stark beschädigte, dass es kernsaniert werden musste. Schon auf dem Hinweg waren noch die typischen „Fluthaufen“ in der Straße sichtbar, aufgetürmter Bauschutt aus all den beschädigten oder zerstörten Häusern. Eine ruhige Wohngegend, noch nicht einmal 200 Meter Luftlinie von der Inde entfernt. Die Straße verläuft parallel zu dem Fluss, der am 14. Juli 2021 über die Ufer trat und mitten in der Nacht auch Elke Lohmüllers Haus unter Wasser setzte. Oder vielmehr unter Schlamm, wie Elke erzählt. „Das war kein klares Wasser, da war alles drin, man sich vorstellen kann. Heizöl, Dreck, Industrieflüssigkeiten. Eine dicke braune Brühe überall.“ Der Schlamm machte alles, was im Keller war, unbrauchbar und das Erdgeschoss des Hauses unbewohnbar.

Am Morgen danach ruft Elke erst einmal die Feuerwehr an, doch die rückt nur bei Notfällen aus. Notfälle, das sind zu diesem Zeitpunkt vorrangig medizinische Notfälle. Die Anweisung der Feuerwehr lautet: „Bleiben Sie im Obergeschoss und warten Sie, bis das Wasser weg ist.“

Glücklicherweise ist das mittags schon der Fall, so dass Elke und ihr Mann sich einen ersten Überblick über die Lage verschaffen können. Sie sind ohne Wasser und ohne Strom. Küche und Wohnzimmer sind unbewohnbar, das Mobiliar zerstört. Sie können nichts kochen, nichts waschen, Waschmaschine und Trockner sind zerstört, das Badezimmer ist nicht benutzbar.

„Irgendwie funktioniert man, das ist kein Leben, man funktioniert, jeden Tag muss man gucken, dass es irgendwie weitergeht, jeden Tag neu überlegen wie geht’s weiter, was sollen wir machen?“

Aus dem Haus ausziehen kommt dennoch erst einmal nicht in Frage. Diebe ziehen umher, stehlen Hausrat, der draußen zum Trocknen steht, bedienen sich in verlassenen Häusern.

Bis September noch harren die Lohmüllers in ihrem Haus aus, dann bekommen sie von Freunden das Angebot, vorübergehend in einer möblierten Wohnung zu wohnen. In ihrem Haus wird derweil alles herausgerissen.

Hochwasserhilfe der Diakonie

Das Wichtigste, gerade in der ersten Zeit, sind die Hilfe und die Unterstützung, die sie von allen Seiten bekommen. Da sind die Menschen, die mit Gummistiefeln und Schaufeln helfen, den Schlamm zu beseitigen, die Menschen, die für sie kochen und Wäsche waschen. Da ist der Zusammenhalt und das Füreinander da sein in der Nachbarschaft und in der evangelischen Gemeinde. Sie bekommen Heizgeräte und Geld von der Kirchengemeinde und dann ist da vor allem die Hochwasserhilfe der Diakonie, die den Betroffenen auch finanziell unter die Arme greift. Auch das hat Elke geholfen. „Dass man sagen kann: ‚ach ja du bist nicht alleine‘, das war toll!“

Die Berater der evangelischen Hochwasserhilfe in Eschweiler kommen zu ihnen, besprechen mit ihnen das Ausmaß der Schäden, beraten sie zu den Hilfen, die sie bekommen können und helfen ihnen beim Ausfüllen der Anträge. „Wir konnten uns auch immer dort melden, immer da anrufen, die hatten immer ein offenes Ohr für uns.“ 

Der finanzielle Gesamtschaden beläuft sich bei den Lohmüllers voraussichtlich auf 150.000 – 160.000 Euro. Einiges davon übernimmt die Gebäudeversicherung, aber eine Hausratversicherung haben sie nicht. Die Kosten für eingelagerte Möbel, die Kosten für den Umzug, die Neubeschaffung des Hausrats, das alles müssen die Lohmüllers selbst stemmen.

Neben der finanziellen Hilfe durch das Land NRW leistet auch die finanzielle Hochwasserhilfe der Evangelischen Kirche in Eschweiler einen wichtigen Beitrag.

Man wird aufgefangen

Das Wichtigste aber für Elke ist die seelische Unterstützung, die sie bekommen hat. „Das kann das Geld nicht aufwiegen. Man wird aufgefangen.“

Sie ist dankbar dafür, dass sie und ihr Mann körperlich keinen Schaden genommen haben, dass sie am Leben geblieben sind. Aber seelisch? Bisher hat sie immer nur funktioniert. Sie weiß nicht, wie es ist, wenn sie mal zur Ruhe kommt, wenn sie zurück im Haus ist, und irgendwann einmal alles fertig ist. Mehr als 10 Monate nach dem Unglück sitzt sie jetzt an einem Gartentisch im ansonsten leeren Erdgeschoss ihres Hauses. Es riecht neu. Neue Zimmertüren lehnen an der Wand, der frisch verlegte Boden ist noch feucht vom Wischen. Die Treppenstufen der Wendeltreppe zum Obergeschoss fehlen. „Eigentlich sollten die heute kommen. Morgen ist der Umzug! Ich weiß gar nicht wie wir das machen sollen ohne die Treppenstufen.“ Alle sagen ihr, „Mensch, du hast es ja jetzt geschafft, alles ist neu gemacht, es ist doch schön“. Doch sie selber kann das noch nicht empfinden.

Die Beratung der Hochwasserhilfe in Eschweiler geht weiter. Und Elke ist froh, dass sie dort auf jeden Fall immer wieder hingehen kann und dass ihr dort geholfen wird. Denn Sie sagt, wenn sie einmal zur Ruhe gekommen ist, dann kann sie sicher auch psychologische Hilfe gebrauchen und die will sie dann auch in Anspruch nehmen.

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